Leseprobe “Regina Strinasacchi bei Mozart”

Leseprobe aus dem Manuskript zum Roman “Die Dresdner Stradivari”

Regina erzählt ihrem Sohn Wilhelm, wie sie sich im April 1784 zu einem Gespräch bei Mozart angemeldet hatte und was bei dieser Begegnung Erstaunliches heraus kam:

Um Mozarts Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen, kam ich gleich auf den Punkt. Maestro, sagte ich frei heraus, seit Tagen überlege ich, womit ich das Wiener Publikum bei meinem zweiten Konzert im Kärtnerthor-Theater überraschen könnte. Aus zuverlässiger Quelle erfuhr ich, dass einige hochgestellte Personen, die bereits mein erstes Konzert besucht hatten, mich erneut mit ihrer Anwesenheit beehren werden. Deshalb wage ich, Sie zu fragen … Ich stockte in meiner Rede, weil Mozart plötzlich die Beine übereinander schlug, die Hände um die Knie schlang und mich mit großen Augen ansah. Ich spürte seine innere Unruhe. Mir schoss die Frage durch den Kopf, ob mein Anliegen vielleicht zu vermessen war. Womöglich würde dieser Besuch peinlich enden.

Nun ja, fuhr ich ein wenig irritiert fort, ich kam zu dem Schluss, wenn Sie sich mit einem Stück aus Ihrer Feder an dem Konzert beteiligten, wäre das nicht nur eine künstlerische Bereicherung des Abends, es wäre sein glanzvoller Höhepunkt.

Mozart rieb sich das Kinn, tat verlegen, sagte schließlich: Glanzvoller Höhepunkt des Abends, welch hübsches Kompliment. Allein deshalb fühle ich mich verpflichtet, Ihrer Bitte nachzukommen. Er erhob sein Glas und rief lachend: Mademoiselle, mit dem allergrößten Vergnügen!

Ich jauchzte innerlich, danke dem Maestro von Herzen und sagte, nachdem ich mich gefasst hatte: Bliebe die Frage, welches Stück Sie spielen werden. Dementsprechend ergänze ich die Programmhefte und lasse sie neu drucken.

Mozart legte den Kopf in den Nacken und dachte einen Moment mit geschlossen Augen nach. Plötzlich riss er sie wieder auf, lächelte schelmisch und rief mit der Freude eines Kindes: Liebe, verehrte Mademoiselle Strinasacchi … mich beschleicht soeben ein trefflicher Gedanke: Ich spiele nicht nur für Sie, ich spiele mit Ihnen!

Sie begleiten mich am Klavier? Ich war begeistert.

Mozart stand auf, trat hinter den Stuhl und stützte sich auf die Lehne. Nicht nur das, Mademoiselle, sagte er mit geheimnisvoller Stimme. Was halten Sie davon, wenn ich eigens für Ihr Konzert, eigens für unseren gemeinsamen Auftritt, eigens zur Überraschung des Wiener Publikums eine Sonate komponiere?

Eine Serenade für mein Konzert? Maestro, ich bin überwältigt. Allerdings … das Konzert findet bereits am 29. des Monats statt.

Mozart setzte sich wieder, rückte seine silberne Zopfperücke zurecht, was ihm Zeit zum Überlegen gab, dann sah er mir entschlossen in die Augen und sagte: Genau das ist der Punkt. Zurzeit arbeite ich an meinem Klavierkonzert in G-Dur. Zu den Klavierstunden, die ich am Vormittag gebe, kommen noch einige Konzerte hinzu. Am Sonntag, den 18. bin ich in Mannheim zur Uraufführung meines Singspiels die Entführung aus dem Serail. Allerdings nur drei Tage, dann komme ich zurück und widme mich sogleich der Sonate. Ich schenke Ihnen ein Meisterwerk, ein musikalisches Juwel, das vor südländischem Temperament nur so sprüht. Ich komponiere die Sonate für Regina Strinasacchi. Ja! So nenne ich sie.“

Er sprang auf, eilte durch Zimmer, setzte sich an den Hammerflügel, klappte den Deckel hoch und schlug fortissimo einen Reigen wohlklingender Akkorde an. Dann verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und sagte entschlossen, nachdem er kurz zur Decke geschaut hatte: Sonate für Violine und Klavier in B-Dur. Das musikalische Konzept wächst bereits in meinem Kopf. Schwungvoll drehte er sich auf dem Schemel zu mir herum und rief in heller Freude: Mademoiselle, was halten Sie von einem heiteren Dialog beider Instrumente, ein an Emotionen reicher Dialog, der sich furios durch alle drei Sätze zieht. Etwa so:

Wir beginnen mit einer langsamen Einleitung, einem weichen, singenden Largo. Das zum Beispiel wäre neu. Noch nie habe ich eine Sonate mit einem Largo begonnen. Mademoiselle, wie gefällt Ihnen das?

So schwungvoll wie vorhin drehte er sich wieder seinem Flügel zu, spielte aber noch nicht.

Ich stand auf und huschte zu dem schlichten Holzstuhl, der seitlich des Flügels stand. Von hier aus konnte ich Mozarts Gesicht besser sehen, konnte ihn beobachten, während er komponierte. Ich war unsagbar aufgeregt. Noch nie hatte ich einem Komponisten bei seinem Schaffensprozess zugesehen, und nun, da sich die Möglichkeit ergab, war es gleich einer der größten lebenden Komponisten.

Zwei, drei Sekunden schwebten Mozarts Hände über der Tastatur. Ein Moment der Besinnung. Ein Moment höchster Konzentration. Es war, als stelle er zwischen sich und dem Instrument eine magische Verbindung her. Mit einem Mal schlug er so heftig in die Tasten, dass ich zusammenzuckte. Dem rasanten Klangfeuer folgte ein singender Melodienreigen, so bunt und strahlend, dass ich meinte, ich spazierte über eine Blumenwiese.

Das ist die Violine, nur die Violine, rief er kurz dazwischen. Haben Sie das? Gut. Jetzt die Klavierstimme.

Er spielte wie von Zauberhand. Ich überlegte, ob er das Largo vielleicht doch schon einmal gespielt hatte und jetzt lediglich aus der Erinnerung hervorholte. Aber nein, der Vorschlag, gemeinsam etwas Neues zu spielen, war ihm erst in meinem Beisein gekommen. Ein spontaner Gedanke. Er hatte diese wundervolle Musik tatsächlich vor meinen Augen entstehen lassen. Meine Zweifel verflogen. Jetzt wusste ich, dieser geniale Mann brachte das Meisterstück fertig, in denkbar kurzer Zeit etwas Großes für mein Konzert zu komponieren. Etwas, das die Zeiten überdauern würde.“

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