Ein Buch entsteht – Teil 3 „Geigenbauer und andere Merkwürdigkeiten“

Schatzsuche in Sachen Schlick

Da lag die Geige von 1870 nun vor mir. Ein Wiedersehen nach 50 Jahren. Ich tat, was wohl jeder in meiner Situation getan hätte: Ich brachte sie zur Durchsicht. Der Geigenbauer schwärmte von ihrem wundervollen Klang und wunderte sich, dass ich von dem Mann, der sie gebaut hatte, noch nie was was gehört hatte. Dabei stand der Name Wilhelm Schlick gut lesbar auf dem innen eingeklebten Geigenzettel. Die frühere Hofkapelle Dresden habe mehrere Schlick-Geigen angekauft. Neugierig geworden, beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen.

Zwei Dinge wollte ich erkunden: Hat die Geige tatsächlich einen so wundervollen Klang? Wer war dieser Geigenbauer Wilhelm Schlick? Ich freute mich auf die Recherchen. Recherchieren ist wie Schatzsuche.

Zufällig bekam ich Kontakt zu einem Dresdner Musikwissenschaftler. Er gab mir Tipps, in welchen Archiven ich gezielt suchen sollte. Wir telefonierten oder mailten oft miteinander. Ein Glücksfall für mich! So war ich von Anfang an auf der richtigen Spur und konnte letztlich in Sachen Leben und Wirken Wilhelm Schlicks bislang propagierte Irrtümer korrigieren und Lücken schließen.

Ganz anders erging es mir bei der Wahrheitsfindung zum „wunderbaren Klang“. Hier war ich auf eine objektive Bewertung aus. Deshalb legte ich die Geige einigen sächsischen Geigenbauern und Musikern vor. Das Ergebnis war so erstaunlich wie verwunderlich. Die Urteile gingen meilenweit auseinander. Dazu zwei Episoden:

Der Geigenklang – eine subjektive Angelegenheit?

Um nicht allzu ahnungslos bei den Geigenbauern zu erscheinen, sah ich mir im Vorfeld einen verständlich geschriebenen Ratgeber an. Dieses minimale Grundwissen kam mir später zugute, als ich die einschlägigen Textpassagen dazu schrieb.

Der Geigenbauer im Vogtland reagierte entsetzt, während er sich die Geige mit einer Lupe besah. Sie sei garantiert mehrmals auseinandergenommen und hier und da sei etwas nicht korrekt. Die baulichen Feinheiten interessierten mich weniger, sagte ich leicht verschnupft, es gehe mir allein um die Bewertung des Instrumentenklangs. Deshalb solle er sie doch einmal anspielen. Darauf er: „Ich baue Geigen, aber ich spiele selber nicht.“ Das haute mich um. Meckert an meiner Geige herum und kann gar nicht spielen. Wenigstens eine Tonleiter oder ein Kinderlied müsste ein Geigenbauer doch hinbekommen!

Bei einer Dresdner Musikstudentin wollte ich Geigenstunden nehmen und damit mein versiegtes Spielvermögen auffrischen. Wir kamen auch auf die klangliche Qualität von Geigen zu sprechen. Sie zeigte mir ihre gemietete Geige und sagte lachend: „Kaufen könnte ich sie mir nicht. Sie hat einen Wert von 40.000 €.“ Ich nickte. Klar, kaum ein Student kann sich ein so wertvolles Instrument leisten. Und dann fügte sie versonnen hinzu: „Ehrlich gesagt, Ihre Geige klingt besser. Hätte ich diese hier nicht unter Vertrag, würde ich mich für Ihre entscheiden.“

Ich stellte die Geige noch drei weiteren Geigenbauern und einem gestandenen Orchestermusiker vor. Am Ende sagte ich mir, dass die klangliche Bewertung einer Geige ziemlich subjektiv ist und wesentlich von der Person abhängt, die sie spielt. Für mich war das eine wichtige Erkenntnis. Wichtig vor allem für den entsprechenden Textteil im Buch.

Vorheriger Beitrag
Ein Buch entsteht, Teil 2 „Die Sache mit Mozart“
Nächster Beitrag
Ein Buch entsteht, Teil 4 „Stradivari – entzauberter Mythos“